Jenseits von Violett beginnt die Tortur

Neon, Schwarzlicht, UV-Strahlung viele Begriffe kommen einem über die Lippen, um diesen Effekt der abnormalen Farbsättigung in Franziskas Gesicht zu beschreiben. Was passiert da eigentlich? Was ist der Unterschied zu einer herkömmlichen Beleuchtung. Ist es nur das Licht oder reagiert die beleuchtete Oberfläche anders? Und wenn ja, wie?

Am Anfang steht, wie so oft, wenn es um das Licht geht, die Sonne. Sie verwöhnt uns auf der Erde mit einem sehr breiten Farbspektrum. Von Rot über Gelb, Grün und Blau bis Violett. Diese Farben können jeweils einer Wellenlänge der Strahlung zugeordnet werden, vgl. Artikel „No Pink“. Der sichtbare Bereich beginnt etwa bei Wellenlänge 390 Nanometern (nm), also 0,000.000.390 m das ist violettes Licht und reicht bis zum roten bei ca. 780 Nanometern (0,000.000.780 m).

Wer sich jetzt denkt, dass dies eine winzig kurze Strecke sei, dem möchte ich folgenden Vergleich mitgeben. Ein Tesafilm Streifen der ca. 10 Mikrometer (µm) dick ist, kann man noch sehr sicher erfühlen. Ausgeschrieben 0,000.010.000 m. Wir machen uns nicht nass, wenn wir mit einem zugekniffenen Auge und der Einfachheit halber mal behaupten, das rotes Licht etwa eine Wellenlänge von 1000 Nanometer hat. Dann passen gerade mal 10 Wellen hintereinander auf die Länge des Tesastreifens, wenn rotes Licht hindurch strahlt.

Übrigens tritt der Lichtstrahl im Tesafilm dabei gewaltig auf die Bremse. In diesem optischen Medium ist er mit etwa 66% der Geschwindigkeit unterwegs, Im Vergleich zur Luft. Das ist wie mit einem Fahrzeug mit 120 km/h auf der Autobahn, welches in einer Baustelle auf 80 km/h herunterbremst. Und das gilt übrigens auch für Objektivgläser. Je nach Brechungsindex der verwendeten Glassorte sogar noch etwas langsamer.

Licht mit einer Wellenlänge von weniger als 390 Nanometern ist jenseits von Violett, Ultraviolett (UV). Dieses Licht ist für unser menschliches Auge nicht sichtbar. Wir haben dafür nicht mehr die richtigen „Antennen“, also Fotorezeptoren auf der Netzhaut.

Es gibt aber bestimmte Moleküle, welche die richtigen Antennen für ultraviolettes Licht haben. Z.B.: Pyranin, genauer Trinatrium-8-hydroxypyren-1,3,6-trisulfonat mit der Summenformel C16H7Na3O10S3. Die molekulare Struktur gleicht in etwa 4 Bienenwaben mit drei Mistgabeln drumherum. Dieses Molekül absorbiert UV Strahlung und diese regt es an. Man könnte auch sagen, ein Teil der Lichtenergie wird vom Pyranin gespeichert. Das jedoch nur für sehr kurze Zeit. Die Energie wird wieder abgegeben, aber in einer anderen Form: als Licht einer bestimmten Wellenlänge, länger als die des zuvor absorbierten Lichtes. Also Licht für das wir die richtigen “Antennen” auf der Netzhaut haben und deshalb sehen können.  Diese Verschiebung der Wellenlänge wird auch als Stokes-Verschiebung bezeichnet. Bei der Anregung mit UV-Licht ist für uns das Interessante, dass wir etwas mit für uns unsichtbarem Licht beleuchten und es wie von selbst zu leuchten beginnt. Es leuchtet für uns deutlich sichtbar, mit sehr intensiven Farben. Die Farben sind knallig, weil die Wellenlängen des ausgestrahlten Lichtes durch den Prozess der Energieabgabe der verwendeten Substanz in einem Bereich sehr eingeschränkt sind.

Die Tortur beginnt jetzt bei digitalen Kameras. Die Farbwiedergabe eines Sensors basiert auf einer Anordnung von drei (manchmal auch vier) verschiedenen Farbfiltern vor den Sensorzellen. Eine 24 Megapixelkamera hat typischerweise 12 Millionen Sensorzellen mit grünem Farbfilter, 6 Mio. mit rotem Filter und 6 Mio blau, gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt. Am häufigsten wird eine Bayer-Anordnung verwendet. Bei Fujifilm kommt bei APS-C ein eigens entwickeltes Anordnungsmuster zur Anwendung. Allen gleich ist die Aufteilung des einfallenden, sichtbaren Lichtspektrums in 3 Bandpassfilter. Aus den Verhältnissen des eingefangenen Lichtes hinter diesen drei Filtern wird dann die resultierende Farbe bestimmt. Da üblicherweise alles, was fotografiert wird, durch die Sonne oder künstliches weißes Licht breitbandig illuminiert wird, funktioniert die Rekonstruktion der Farben gut.

Franziskas Schminke fluoresziert, angeregt vom ultravioletten Licht, in einem sehr schmalen Band der Wellenlänge. Das macht die Farben so intensiv. Das bringt unseren Fotosensor in Bedrängnis, weil dieses intensive Licht nur von Sensorelementen hinter einem Filter (z.B. Rot) gesehen wird. Um in diesem Beispiel zu bleiben, kommt dann bei Blau oder Grün beinahe nichts mehr an. Die Herausforderung ist es, die Farbe wieder zusammenzusetzen. Wenn auf den anderen Kanälen nichts mehr kommt oder nur sehr geringe Signalanteile, dann genügen kleinste Störungen im System, um große Farbtonänderungen zu erzeugen. Welchen Effekt diese Tortur hat, sieht man auf diesem Bild. Es wurde mit Zwei unterschiedlichen Kameras bei gleichem Licht am gleichen Set aufgenommen. Links sind die Farben sehr präsent und insgesamt schön anzusehen, auch die Haut erscheint dunkel. Auf dem rechten Bild wirkt der Kontrast zwischen UV-Farbschminke und der Haut des Models geringer und die Farben wirken flau.

Es kam, wie es kommen musste: Franziska gefielen später nur die Bilder, die mit der Kamera vom linken Bild gemacht wurden. Meine Versuche, den Look der anderen Bilder auf dieses Niveau zu bringen, schlugen bisher fehl. Willkommen in der Tortur.

In dem Shooting mit Franziska habe ich zwei verschiedenen Objektive an den beiden Kameras verwendet. Dieser Farbunterschied wird nicht durch das Objektiv hervorgerufen. Das habe ich später, als meine Neugierde geweckt war, überprüfen können.

Mit der Schminke malte ich mir ein „Testchart“. Zunächst wurde dieses bei Tageslich mit einer Leica SL (Typ 601) und einem Summilux M 50mm ASPH. Objektiv fotografiert. Im nächsten Schritt im abgedunkelten Raum mit UV-LED Beleuchtung. Das wurde genauso mit einer Sony A7R3 und dem identischen Leica Summilux M Objektiv wiederholt.

Links: der „Testchart“ bei Tageslicht. Die linke Hälfte einer Kachel mit einer Leica SL aufgenommen, die rechte mit Sony A7R3. Die Farbwiedergabe hier ist sehr ähnlich. Ein kleiner vertikaler Versatz lässt sich dennoch erkennen.
Rechts: der „Testchart“ bei UV-Beleuchtung. Die linke Hälfte einer Kachel mit einer Leica SL aufgenommen, die rechte mit Sony A7R3. Hier sind deutliche Unterschiede erkennbar.

Man erkennt deutlich die knackigeren Farben unter der UV Beleuchtung (linke Halbkachel) bei der Leica SL im direkten Vergleich zur Sony. Die Farbunterschiede bei Tageslicht sind hingegen kaum wahrnehmbar.

Mich fasziniert hier eines besonders. Ich habe endlich einen Test gefunden, der mir sicher und reproduzierbar das zeigt, was ich zuvor nur subjektiv und mit Bauchgefühl sagen konnte. Die eine Kamera liefert bei gleichen Bedingungen einfach viel schönere Farben.

Am Chart kann man auch den Grund erkennen, weshalb ich hier über meine Fotografie schreibe und nicht über meine Malerei 😉

Schlußbemerkungen:

  • Ich habe alle Kameras und Objektive selber erworben und werde von keinem Hersteller in irgendeiner Weise gesponsert noch bezahlt.
  • Verwendet haben Franziska und ich diese UV-Lampe, diese Schminke und dieses Neon Tüll

BEYOND VIOLET THE TORTURE BEGINS

Neon, black light, UV radiation – many terms come to mind to describe this effect of abnormal color saturation in Franziska’s face. What is actually happening? What is the difference to conventional lighting. Is it just the light or does the illuminated surface react differently? And if so, how?

In the beginning, as so often when it comes to light, there is the sun. It spoils us on earth with a very broad spectrum of colors. From red to yellow, green and blue to violet. These colors can each be assigned to a wavelength of radiation, see article „No Pink„. The visible range begins at a wavelength of about 390 nanometers (nm), i.e. 0,000.000.390 m – that is violet light – and extends to the red at about 780 nanometers (0,000.000.780 m).

If you now think that this is a tiny short distance, I would like to give you the following comparison. You can still feel a transparent tape strip which is about 10 micrometers (µm) thick. Written out 0,000.010.000 m. We don’t wet ourselves when we say with a squeezed eye and for the sake of simplicity that red light has a wavelength of about 1000 nanometers. Then just 10 waves in a row fit the length of the tape strip when red light shines through.

By the way, the light beam in the tape film hits the brakes hard. In this optical medium it travels at about 66% of the speed of air. This is like a vehicle travelling at 120 km/h on the freeway, braking down to 80 km/h in a construction site. And by the way, this also happens with lens glasses. Depending on the refractive index of the type of glass used, even a little slower.

Light with a wavelength of less than 390 nanometers is beyond violet, ultraviolet (UV). This light is not visible to our human eye. We no longer have the right „antennas“, i.e. photoreceptors on the retina, for this.

But there are certain molecules that have the right antennas for ultraviolet light. E.g: Pyranine, more precisely trisodium-8-hydroxypyrene-1,3,6-trisulfonate with the molecular formula C16H7Na3O10S3. The molecular structure resembles about 4 honeycombs with three pitchforks around it. This molecule absorbs UV radiation and this stimulates it. One could also say that a part of the light energy is stored by pyranine. This however only for a very short time. The energy is released again, but in a different form. As light of a certain wavelength, longer than the light absorbed before. This shift of the wavelength is also called Stokes shift. When excited with UV light, the interesting thing for us is that we illuminate something with light that is invisible to us and it begins to glow as if by itself, clearly visible to us, with very intense colors. The colors are vivid because the wavelengths of the emitted light are very limited in one area due to the process of energy release of the substance used.

The torture now starts with digital cameras, the color reproduction of a sensor is based on an arrangement of three (sometimes four) different color filters in front of the sensor cells. A 24 megapixel camera typically has 12 million sensor cells with green color filter, 6 million with red filter and 6 million blue. Evenly distributed over the entire surface. Most often in a Bayer arrangement, Fuji uses a specially developed arrangement pattern for APS-C. The same is the splitting of the incident, visible light spectrum into 3 bandpass filters. From the ratios of the captured light behind these three filters the resulting color is then determined. Because usually everything that is photographed is broadband illuminated by the sun or artificial white light, the reconstruction of the colors works well.

Franziska’s make-up fluoresces, excited by ultraviolet light in a very narrow band of wavelengths. This is what makes the colors so intense. This puts our photo sensor in distress, because this intense light is only seen by sensor elements behind a filter (e.g. red). To stay with this example, blue or green will then have almost no effect. The challenge is to reassemble the color. If there is nothing left on the other channels or only very small signal components, then the slightest disturbance in the system is sufficient to produce large color tone changes. The effect of this ordeal can be seen in this picture. It was taken with two different cameras at the same light on the same set. On the left, the colors are very present and overall nice to look at, also the skin appears dark. On the right picture the contrast between the UV color make-up and the model’s skin appears less and the colors appear dull.

It came as it had to come: Franziska later only liked the pictures that were taken with the camera from the left picture. My attempts to bring the look of the other pictures to this level failed so far. Welcome to the torture.

In the shooting with Franziska I used two different lenses on the two cameras. This color difference is not caused by the lens. I was able to check this later when my curiosity was awakened.

With the make-up I painted myself a „test chart“. At first this was photographed during daylight with a Leica SL (Type 601) and a Summilux M 50mm ASPH. lens. In the next step in a darkened room with UV-LED lighting. This was repeated with a Sony A7R3 and the identical Leica Summilux M lens.

Left: the „test chart“ in daylight. The left half of a tile taken with a Leica SL, the right half with Sony A7R3. The color reproduction here is very similar. A small vertical offset can still be seen.
Right: the „test chart“ under UV illumination. The left half of a tile taken with a Leica SL, the right half with Sony A7R3. Clear differences can be seen here.

You can clearly see the crisper colors under the UV illumination (left half tile) of the Leica SL in direct comparison to the Sony. The color differences in daylight, however, are hardly noticeable.

One thing in particular fascinates me here. I have finally found a test that shows me reliably and reproducibly what I could previously only say subjectively and with gut feeling. Under same conditions, one camera simply delivers much more beautiful colors.

On the chart you can also see the reason why I write here about my photography and not about my painting 😉

Concluding remarks:

  • I have purchased all cameras and lenses myself and I am not sponsored or paid by any manufacturer in any way.
  • Franziska and I used this UV lamp, this make-up and this neon tulle

NACHTRAG: Einem Kommentar folgend hier noch weitere Ergebnisse:

Links, oben: Leica SL, 50mm Summilux-M
rechts, oben: Sony A7R3, Sony 24-104 f/4
links, unten: Fujifilm X-E3, 50mm Summilux-M
rechts, unten: Sony A7R3, 50mm Summilux-M

3 Kommentare zu „Jenseits von Violett beginnt die Tortur

  1. Hallo Sven – wirklich sehr unterschiedliche Ergebnisse, auch mir gefallen die „Leica“-Fotos subjektiv besser – Kontrast & Farbeindruck! Bei einer Stichprobe mit 2 Probanden/ Kameras liegt jedoch eine einseitige Aussage eher auf der Hand! Wie würden Kameras anderer Hersteller abschneiden? Gibt es eine Häufung bei den Ergebnissen? Ist die Leica ein positiver Ausreißer? Ich bin gespannt! Liebe Grüße Jürgen

    1. Hallo Jürgen, danke für den Hinweis. Weitere Untersuchungen wären sicher interessant. Ich habe Deinen Gedanken auch gehabt und noch eine Fujifilm X-E3 mit dem gleichen Objektiv getestet. Zusätzlich noch die Sony mit einem nativen, Sony 24-105 f/4 Objektiv. Schliesslich ist das 50mm Summilux-M, welches ich verwendet habe nicht für den Sony Sensor optimiert. Die Unterschiede an der Sony sind kaum wahrnehmbar. Die Fuji hingegen liegt dazwischen. Sie liefert teilweise Farben auf dem einen Niveau und teilweise eher welche auf dem anderen.

Kommentare sind geschlossen.