LQI: 507 = Gefährlich

„Die Vorrauscrew berichtete, dass ein Tag in dieser Luft, so gesundheitsschädlich ist, wie 60 Zigaretten auf Lunge.“ Ich machte große Augen und hielt mir ein Taschentuch vor die Nase. Wir waren noch nicht mal in Neu Delhi (Hauptstadt von Indien) gelandet, als die Flugbegleiterin mir diese erschütternde Info mitgab. Zuvor gab es ein Raunen, denn ein unerwarteter Gestank zog durch das Flugzeug. Offensichtlich waren die Filter der Klimaanlage nicht in der Lage die olfaktorische Mischung aus Müll, Rauch und ein wenig brennenden Reifen abzuscheiden.

Kein Nebel – die Luftverschmutzung ist offenbar

Am Gepäckband stand bereits ein Vielflieger mit Gasmaske und wartete auf seinen Koffer. Ein Blick auf meine Wetter-App warnte mich vor einer gefährlichen Luftqualität mit dem Indexwert 507.

Den Eintrag Luftqualitätsindex hatte ich zum ersten Mal auf meinem Smartphone gesehen. Der Wert 507 ist dem nach sehr hoch und diese Luft einzuatmen ist gefährlich. Nun fällt einem in diesen Belangen unerfahrenen Landmenschen, die Einordnung solcher abstrakter Zahlen nicht leicht. Was bedeutet dass eigentlich für meine Gesundheit? Es beschlich mich der Gedanke, dass es aus dieser Situation eigentlich kein schnelles Entkommen geben würde. Neu Delhi ist eine Mega-City, aus der fährt man mit einem Auto nicht mal eben in einer halben Stunde in die nächste Nachbarstadt. Die Schulen waren schon längst geschlossen. Welche Qualität haben eigentlich die Filter einer Hotel-Klimaanlage?

Wir sollten es rausfinden. Was auffiel, waren die Sicherheitsvorkehrungen des Hotels. Jedes Auto, das auf die Auffahrt fuhr musste stoppen, Motorhaube und Kofferraum öffnen und wurde von bewaffneten Sicherheitskräften durchsucht. Der Fahrzeugunterboden wurde eingehend mit Spiegeln auf Sprengsätze hin geprüft. Taschen und Koffer wurden vor dem Betreten der Lobby durchleuchtet. Der Gestank war im Inneren noch wahrnehmbar, doch schon deutliche milder. Ob es an der Klimaanlage oder der erschöpften Geruchsempfindlichkeit meiner Nase lag, kann ich nicht sagen.

Ich mag es, wenn man an einem unbekannten Ort in der Nacht ankommt. Die Anreise in der Dunkelheit offenbart nur wenige Details und lässt der Fantasie noch eine Menge Spielraum bzgl. der Beschaffenheit der Nachbarschaft, oder den Ausblick auf die Landschaft. Der Ort hat die Chance sein Antlitz mit dem Tagesanbruch noch mal zu wandeln.

Der Ausblick auf eine baumreiche Nachbarschaft und eine Hotelmauer weckte meine Neugierde.

Mauer, Wikipedia vermerkt dazu das folgende:

„Menschen bauen Mauern um sich zu schützen. Sie sollen das Eigene bewahren und die Zugehörigkeit räumlich definieren. Jede Mauer kann damit immer auch als ein Postulat des „Wir“ gegen die „Anderen“ verstanden werden. Mauern trennen. Die Schutz-Funktion kann sehr vielfältig sein: Windschutz, Sichtschutz, Schutz vor Flucht, Schutz vor dem unerlaubte Eindringen, Schutz vor Gewalt, Schutz vor Tieren, Schutz vor Hochwasser oder anderen Naturgewalten usw.“

Nun jedenfalls bot diese Mauer kein Schutz vor schlechter Luft. Es wurde Zeit für einen Ausflug auf die andere Seite. Hier ein paar Impressionen davon.

Erstes Fundstück: auf der anderen Seite, auf der Mauer thronend.
Auffahrt zum Hotel und einziges Loch in der Mauer
Werkstatt

Die App Windy zeigt satellietengestützt aktive Feuer auf der dem Erdball. Nordwestlich von Neu-Delhi gab es ein sehr großes Feuer.

Inzwischen habe ich herausgefunden, welche die Hauptquelle für die schlechte Luftqualität war. Weder Fabrikabgase noch der Fahrzeugverkehr sind schuld. Nein die Landwirtschaft. Farmer führen im großen Maßstab Brandrodungen ihrer Felder durch, um schnell Platz für eine neue Aussaat zu schaffen. Die Feuer sind mit der entsprechenden App. schnell gefunden. Folglich sind es die Feinstaubpartikel der Klassen PM 2,5 und PM 10 die mit entsprechend hohen Intensitäten gemessen werden. Das erklärt auch die allgegenwärtige starke Sichteinschränkung.

Fußnoten

1: Dieser Artikel ist vom Dezember 2019. Aufgrund der Nachrichtenlage rund um das neuartige Coronavirus SarsCoV2 habe ich es immer weiter aufgeschoben ihn zu launchen. Schließlich ist das was ich in Neu Delhi, als bedrohlich empfunden habe durch die Präsenz der aktuellen Pandemie doch stark in den Hintergrund gerückt. Z.B.: der Vielflieger mit Gasmaske hatte mich und jeden anderen den ich das „Beweisfoto“ davon gezeigt habe geschockt. Heute begegnet man solchen Masken beinahe selbstverständlich morgens beim Bäcker. Auch die Nachricht über die geschlossenen Schulen war weltweit in allen Nachrichten berichtete worden. Heute sind sie eine weltweite Normalität.

2: Gleichzeitig handelte es sich um die intensivste Luftverschmutzung, die jemals in einer Metropole gemessen wurde. Ich denke nicht, dass diese Ereignisse zukünftig ausbleiben werden. Grund genug, darüber nachzudenken, was wir unserer Erde, unserem Lebensraum noch alles antun wollen.

3: Der A380 „Delhi“ der Lufthansa brachte mich nach Delhi und der A380 „Deutschland“ brachte mich wieder zurück nach Deutschland. Heute habe ich gelesen, das beide Flugzeuge nach 5 Jahren Dienstzeit als Folge der Corona Pandemie vor der Ausmusterung stehen.

3 Kommentare zu „LQI: 507 = Gefährlich

  1. Ich mag die intelligenten aber gleichzeitig unterhaltsamen Texte des blogs – und natürlich die tollen Photos. Bravo und bitte mehr davon!

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