Kaum ein Song passt so gut zu den endlos trostlosen Highways südlich der großen Seen der USA, wie Turn the Page von Bob Seeger. Wenn ich den höre, sehe ich Bob am Steuer sitzen von einem Gig zum nächsten fahren. Endloses gleiten.
Besonders viele Highways gehen von Detroit aus, wo Bob aufgewachsen ist. Dem einstigen Schmelztiegel der Automobil-Industrie dieses Landes. Eine Stadt, die in der Wirtschaftskrise vor 10 Jahren eine Menge einstecken musste und infolgedessen in die Insolvenz schlitterte. Schlimme Bilder vom Zustand der Infrastruktur und verlassenen Häusern erreichten uns.
Wie sieht es hier heute, 10 Jahre später aus? Es ist nicht mein erster Besuch in dieser Stadt in der Metropolregion bin ich schon des öfteren gewesen. Wirklich erschütterndes hatte ich bisher nicht gesehen. Auch hatte ich dort nie Zeit zum Fotografieren gehabt. Diesmal aber wollte ich es wissen. Lost Places in Verbindung mit Detroit spuckte Google reihenweise aus.
Lost Places Shootings hatte ich noch keine gemacht. Unerfahren und blauäugig wie ich war zog ich also los. Erstes Ziel war das verlassenen Packard Automobile Plant, etwas östlich vom Zentrum. Nach dem Bob mich mit den richtigen Vibes auf dem Highway versorgt hatte wechselte ich zu Eminem, der ebenfalls ein Sohn dieser Stadt ist. Sein aggressiver Rap ist in diesen Strassen geboren. Das hielt ich für den besseren Rahmen meiner Expedition.
Tatsächlich änderte sich meine Stimmung schon wenige hundert Meter hinter der Autobahnausfahrt. Ich tauchte ein in ein Wohngebiet das oberflächlich intakt schien. Ich hatte mühe zu erkennen ob die Häuser bewohnt sind, oder nicht. Gepflegt waren sie indes nicht. Geisterhaft irgendwie. Ich fühlte mich beobachtet und gleichzeitig habe ich niemanden gesehen. Die Straßen wurden schnell schlechter. Was passiert eigentlich, wenn ich hier eine Autopanne habe, Gedanken dieser Art kamen mir in den Sinn. Aufgebracht von Eminems Tracks, in denen sich auch hin und wieder mal ein Schuß löst begann erstes frösteln.
Die Fabrik tauchte vor mir auf und Ich umkreiste sie erstmal auf der Suche nach einem adäquaten Parkplatz. Erstmal die Lage checken. Wo parkt den so ein Lost Places Fotograf denn nun sein Auto? Direkt vor dem Objekt der Begierde? Oder besser in einer Seitenstrasse etwas entfernt? Unschlüssig wie ich war habe ich es genau zwischen den zerfallenen Häusern und der zerfallenen Fabrik abgestellt und begab mich auf die Pirsch.
In der Jackentasche dabei hatte ich eine kleine Fuji X-E3 in schwarz und eine schwarze Insta360 One X mit schwarzem Selfiestick. Die kam in die andere Jackentasche. Hmm, beides schwarz, beides nicht von weitem als Kamera zu erkennen. Ob das gut ist? Wer kennt die Szene aus dem Film „The Hate You Give“? In der eine schwarze Haarbürste, die aus der Tasche gezogen wurde, für eine Waffe gehalten wurde. Mit tödlichem Ausgang. So sehr ich ein Freund kleiner Kameras bin hier wäre mir jetzt eine von weitem deutlich erkennbare Spiegelreflexkamera lieber gewesen. Was mache ich mit meinem Portemonnaie? Mitnehmen oder im Auto lassen. Wenn man von Polizisten aufgegriffen wird wäre es besser sich ausweisen zu können. Wenn man überfallen wird wäre es besser wenn nicht alles weg ist. #KreditkarteAufZweiBeinen. Im Auto lassen ist schlecht wenn das Auto aufgebrochen wird. Das überzeugte mich, ich nahm es mit. Der Wagen wurde zurückgelassen und das Packard Automobile Plant war noch gut zweihundert Meter von mir entfernt.
Die Fassade lies keine Zweifel zu, hier ist alles im Arsch. Immer wieder gab es große Löcher im Mauerwerk, durch die man hätte schlüpfen können. Eminem hatte ich im Auto gelassen. Ich fand die Situation schon so kitzelig genug. Deutliche Warnschilder drohten Strafen an, sollte man den Komplex betreten.
Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Grenze überschreiten sollte, nur um bessere Bilder zu bekommen. So richtig gefährlich wollte mir die Ruine nicht erscheinen. Die unheimlichen Gestalten die mich in diesen Straßen hier, vermutlich hinter den Vorhängen versteckt, beobachten und mich vielleicht als leichtes Raubopfer bewerteten hielt ich für unberechenbarer. Doch warte mal Sven, wie war das in den USA? War es nicht sogar legal auf Eindringlinge zu schiessen? Aber irgendwo kommen doch die vielen Fotos vom Innern der Lost Places her. Diese Fotografen zögern sicher nicht lange, oder? Was passiert eigentlich wenn man sich hier jetzt in den USA auf verbotenem Boden ein Bein bricht und in das Krankenhaus muss? Wieviele hunderttausende Dollar wird das wohl am Ende des Tages kosten? Eine Versicherung wird das wohl nicht zahlen, oder?
Noch während ich grübelnd vor dem Gebäude stehend über meinen nächsten Schritt nachdachte, wurde mir prompt die Entscheidung abgenommen. Etwa 30 Sekunden, nach dem ich in die Nähe der Ruine angekommen war tauchte schon eine Sicherheitskraft neben mir auf und klärte mich freundlich darüber auf, dass ich bereits auf dem Bürgersteig davor stehend eine Grenze überschritten hätte. Ich erklärte meine Absichten und, dass es mir absolut wichtig sei keine weiteren Grenzen mehr zu überschreiten. Auch fragte ich nach wo der Aufenthalt erlaubt sei.
Mit der genauen Kenntnis der erlaubten Zonen ausgestattet ging es weiter. Von Aussen lässt sich nicht gut erspüren wie die Arbeiter hier einst Dinge gefertigt haben. Ich hatte es eher mit einer mehrstöckigen Müllhalde zu tun. Schrott, der seinen Namen verdient, Teile die einst eine Funktion hatten waren für mich nicht zu erkennen. Also blieb ich der Fassade treu und entdecktes dies und das. Schwebende Leitern die in 10 Metern Höhe frei von einer Laterne runter hingen, zum Beispiel. Die Sicherheitskraft folgte mir dabei in ihrem PickUp.
Long story, short: von Menschen verlassene Ort wirken auf ihre eigene Weise auf den Besucher. Diese Wirkung mit der Kamera einzufangen ist bestimmt eine große Herausforderung. Mir ist das kaum gelungen. Eher bin ich von der Situation überwältigt gewesen. Wesentlich intensiver, als die Bilder es transportieren könnten. Richtig cool habe ich es nicht gefunden.
Wer von Detroits Lost Places mehr sehen möchte, dem sei dieses Video empfohlen:
Hardly any song fits so well to the endless desolate highways south of the big lakes of the USA as Turn the Page by Bob Seeger. When I hear it, I see Bob sitting at the wheel driving from one gig to the next. Endless gliding.
A lot of highways start in Detroit, where Bob grew up. The former melting pot of the automobile industry in this country. A city that suffered a lot during the economic crisis 10 years ago and as a result slid into bankruptcy. Bad pictures of the condition of the infrastructure and abandoned houses reached us.
What’s it like here now, 10 years later? It’s not my first visit to this city in the metropolitan region, I’ve been here before. I had never seen anything really shocking before. Also I had never had time to take pictures there. But this time I wanted to know. In combination with Detroit a lot lost places were spit out by Google.
I hadn’t done any lost places shootings before. I was inexperienced and blue-eyed as I was, I set off. First destination was the abandoned Packard Automobile Plant, a little east of the center. After Bob had provided me with the right vibes on the highway I changed to Eminem, who is also a son of this city. His aggressive rap was born in these streets. I thought that was the better frame of my expedition.
Actually my mood changed already a few hundred meters behind the motorway exit. I plunged into a residential area that seemed intact on at first sight. I had trouble recognizing whether the houses were inhabited or not. However, they were not maintained. Ghostly somehow. I felt observed and at the same time I did not see anyone. The streets quickly got worse. What actually happens when a car breakdown happens to me here, thoughts of this kind came to my mind. I was upset by Eminem’s tracks, in which a gunshot sometimes came off and shivered for the first time.
The factory appeared in front of me and I first circled around it, in search for an adequate parking space. First check the situation. Where does a lost places photographer park his car? Right in front of the object of desire? Or would it be better to park in a side street? Undecided as I was, I put it exactly between the crumbled houses and the crumbled factory and went on.
In my jacket pocket I had a small black Fuji X-E3 and a black Insta360 One X with a black Selfiestick. It came in the other jacket pocket. Hmm, both black, both not visible from far away as a camera. Is that good? Who knows the scene from the movie „The Hate You Give“? In which a black hairbrush, which was pulled out of a pocket, was considered a weapon. With a fatal outcome. As much as I am a friend of small cameras here, I would have preferred a clearly recognizable SLR camera. What do I do with my wallet? Take it with me or leave it in the car. If one is picked up by policemen it would be better to be able to identify yourself. If you are robbed it would be better if not everything is gone. #CreditCardOnTwoLegs. To leave it in the car is bad if the car is breaked open. That convinced me, I took it with me. The car was left behind and the Packard Automobile Plant was still about two hundred meters away from me.
The facade left no room for doubt. Everything’s fucked up here. Again and again there were big holes in the masonry through which one could have slipped in. I had left Eminem in the car. I found the situation so ticklish enough already. Clear warning signs threatened punishments if you entered the complex.
I wasn’t sure if I should cross that line just to get better pictures. I didn’t think that the ruin looks really dangerous. I thought the creepy figures that were hiding me in these streets here, probably behind the curtains, were more unpredictable, and perhaps rated me as an easy victim of robbery. But wait Sven, what was it like in the USA? Wasn’t it even legal to shoot intruders? But somewhere the many photos come from the inside of lost place. These photographers certainly don’t hesitate, do they? What happens if you break your leg on forbidden ground here in the USA and have to go to hospital? How many hundreds of thousands of dollars will that cost at the end of the day? Insurance won’t pay for that, will it?
While I was still worrying my next step, standing in front of the building, the decision was promptly taken from me. About 30 seconds after I had arrived at the ruin, a security guard appeared next to me and kindly informed me that I had already crossed the line by standing on the pavement in front of it. I explained my intentions and that it was absolutely important to me not to cross any more borders. I also asked where the stay was allowed.
With the exact knowledge of the permitted zones equipped it went on. From the outside it is not easy to feel how the workers once made things here. I looked more like a multi-storey garbage dump. Scrap that deserves its name, parts that once had a function were not recognizable to me. So I remained faithful to the facade and discovered this and that. Floating ladders hanging free from a lantern at a height of 10 meters, for example. The security force followed me in their pickup.
Long story, short: a place abandoned by people affects the visitor in its own way. Capturing this effect with the camera is certainly a great challenge. I hardly succeeded. I was rather overwhelmed by the situation. Much more intense than the images could transport it. I didn’t find it really cool.